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01.07.2022 - 2 K 1260/21, Ausweisung eines sog. Hasspredigers, Urteil vom 01.07.2022

Datum der Entscheidung
01.07.2022
Aktenzeichen
2 K 1260/21
Normen
§ 53 AufenthG
§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
§ 54 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG
Rechtsgebiet
Ausländerrecht
Schlagworte
Ausweisung
Hassprediger
Leitsatz
Durch die Aussagen des Klägers ist nicht erkennbar, dass er den IS – ggf. auch durch gewaltverherrlichende Äußerungen – derart unterstützt, dass der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1, 2 Alt. 2 AufenthG erfüllt wäre. Die „Zerstörung der Feinde des Glaubens“ ist eine so allgemein gehaltene Formulierung, dass hieraus keine abgrenzbare, klar erkennbare Vereinigung, welche den Terror unterstützen könnte, ableitbar ist.

Unter Verwendung dieses allgemeinen Begriffes sind Mudschahedin nicht als Terrororganisation i. S. d. Definition einzustufen. Je nach Kontext und Abgrenzbarkeit (z.B. in Bezug auf Mudschahedin-Kämpfer in einer bestimmten Region, die auch im zeitlichen Kontext unzweifelhaft als Dschihad-Kämpfer einstufbar wären) kann die Verwendung des zweideutigen Begriffes jedoch als Unterstützung einer konkreten Terrorgruppierung gewertet werden

Die Aufforderung zum Märtyrertod, welcher isoliert betrachtet als Terrorakt einzustufen wäre, genügt ohne konkreten Bezug zu einer Terrororganisation nicht den Voraussetzungen des Tatbestandes.

Der Aussagegehalt, welcher den Predigten des Klägers zu entnehmen ist, überschreitet unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG nicht die Schwelle zum Hassaufruf durch die böswillige Verächtlichmachung von Teilen der Bevölkerung oder der Billigung von Verbrechen. Wenngleich der Kläger durch seine Äußerungen seine ablehnende Haltung gegenüber Ungläubigen, andersgläubigen Religionsgruppen, darunter u.a. Christen, Juden, Muslime, die nicht seiner salafistischen Ideologie folgen, sowie gegen andere Nationalitäten zum Ausdruck bringt, können diese nicht als Aufruf zum Hass verstanden werden.

Den von der Beklagten zitierten Aussagen sind keine Bestrebungen zur Gründung einer Parallelgesellschaft oder die Aufforderung zu einer grundlegenden Abschottung gegenüber der deutschen Gesellschaft zu entnehmen. Es lässt sich weder eine vollständige Ablehnung des deutschen Rechtsstaates, noch eine grundlegende Ablehnung einzelner Grundrechte erkennen.

Zuletzt führt auch die Mitgliedschaft des Klägers im IKZ, sogar in hervorgehobener Stellung als Imam und Vorbeter, nicht dazu, dass durch die salafistische Ausrichtung des IKZ an sich eine Gefährdung im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch den Kläger begründet wäre.Das IKZ steht derzeit unter Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz, aber bislang erfolgte keine Einstufung als verfassungsfeindlich (vgl. FHB, Verfassungsschutzbericht 2020, S. 87). Sofern eine solche Einstufung jedoch noch nicht erfolgt ist, kann auch der Kläger allein aufgrund seiner Zugehörigkeit – mag er auch eine hervorgehobene Rolle einnehmen – nicht als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden.